MOSAIC Von Schneeschlitten und Eisbären - update

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Sachsen-Anhalter auf der "Polarstern" - update

Beitragvon UliS » Sa 20. Jun 2020, 10:52

Polarstern zurück im Arktis-Eis
Nach einem Crew-Wechsel vor Spitzbergen setzt die MOSAiC-Expedition ihre Arbeit fort - Quelle
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Das Forschungsschiff Polarstern ist zur Eisscholle der arktischen Drift-Expedition MOSAiC zurückgekehrt – jetzt kann die wissenschaftliche Arbeit weitgehen.

Trotz Corona: Wegen der Pandemie fiel der jüngste „Schichtwechsel“ der MOSAiC-Expedition anders aus als sonst – der Eisbrecher Polarstern musste dafür seine Eisscholle verlassen und die neue Wissenschaftlergruppe selbst vor Spitzbergen abholen. Doch nun ist das Schiff zurück im Eis der Artis und die größte Arktisexpedition aller Zeiten kann ihre Arbeit fortsetzen. Für die Forschung beginnt nun eine der in Bezug auf den Klimawandel spannendsten Phasen.

Seit Herbst 2019 driften der Eisbrecher Polarstern, gut 100 Wissenschaftler und ihre auf einer Eisscholle errichteten Forschungsstationen mit der Transpolardrift durch die zentrale Arktis. Die ein Jahr dauernde MOSAiC-Expedition sammelt dabei einzigartige und wertvolle Daten aus diesem bislang kaum erforschten und für das Erdklima entscheidenden Gebiet. Im Februar 2020 kam die Polarstern dabei dem Nordpol so nah wie noch nie ein Schiff im Winter.
Drei Forschungsschiffe
Polarstern, Sonne und Maria S Merian beim Austausch von Mensch und Material vor Spitzbergen. © Alfred-Wegener-Institut / Leonard Magerl,CC-by-sa 4.0

Doch auch an der MOSAiC-Expedition ist die Corona-Pandemie nicht spurlos vorübergegangen. Erst wurde ein Teilnehmer positiv auf SARS-CoV-2 getestet – glücklicherweise vor Abreise in die Arktis. Dann konnten die russischen Versorgungseisbrecher wegen der Pandemiebestimmungen nicht auslaufen. Dadurch musste die Polarstern Mitte Mai ihre Eisscholle verlassen und den Teamwechsel vor Spitzbergen selbst übernehmen.
Zurück an der Scholle

Jetzt gibt es gute Nachrichten: Die Polarstern hat am 17. Juni 2020 ihre angestammte Eisscholle im Nordpolarmeer wieder erreicht. Dank GPS-Sendern auf der Scholle war das Finden des Messcamps kein Problem, das dorthin gelangen allerdings schon: „Wichtig ist, wie bereits zu Zeiten der alten Entdecker, nicht sinnlos irgendwo reinzufahren, sondern die richtige Eintrittsposition ins Eis zu finden“, berichtet Kapitän Thomas Wunderlich.

Obwohl der Eisbrecher zwischendurch einige Tage stecken blieb, weil sich das Eis vor ihm zusammenschob, liegt die Polarstern nun wieder an der Scholle, auf der auch in ihrer Abwesenheit zahlreiche autonome Messinstrumente weiter Daten gesammelt haben. „Der ursprüngliche feste Bereich der Scholle, unsere sogenannte Festung, hat die Verformungen im Frühjahr größtenteils intakt überstanden und ist auch jetzt weiter eine gute Basis für unser Forschungscamp“, berichtet Expeditionsleiter Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI).
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Eisschmelze live und vor Ort

Für die Wissenschaftler beginnt nun eine der spannendsten Phasen der arktischen Drift-Expedition. Denn die sommerliche Eisschmelze hat begonnen und auf dem Meereis bilden sich viele Schmelzwassertümpel, die Abtaurate und Strahlungsbilanz verändern. Zudem bricht das Eis an vielen Stellen auf und über die Spalten und Risse entweichen Wasserdampf und Aerosole. Sie können die Wolkenbildung in der Atmosphäre beeinflussen – und sind daher ebenfalls ein wichtiges Forschungsobjekt.

„Wir werden in dem jetzt beginnenden Sommer in nie dagewesener Detailschärfe die Prozesse im arktischen Klima während der Schmelzsaison erforschen können“, sagt Rex. Dazu gehört die Frage, wie Dicke und Beschaffenheit des Eises die Klimaprozesse beeinflussen, welche Rolle die Schneeauflage auf dem Meereis spielt und wie das Zusammenspiel mit Atmosphäre und Wolken funktioniert. Auch Wasserwirbel die unter dem Eis durch Meeresströmungen entstehen, werden Wissenschaftler untersuchen.

Wird die Eisscholle halten?

Ob die Eisscholle das sommerliche Abtauen intakt übersteht, ist noch offen. „Mit dem jetzt einsetzenden sommerlichen Schmelzen werden wir mit unseren Aufbauten sehr mobil sein und uns jeweils an die sich entwickelnden Bedingungen anpassen müssen“, sagt Rex. „Eventuell werden wir das Forschungscamp später im Sommer auch nochmal verlegen – das hängt von der Entwicklung der Eisbedingungen ab.“

Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
19. Juni 2020

- Nadja Podbregar
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Re: Polarstern zurück im Arktis-Eis - update

Beitragvon UliS » Sa 1. Aug 2020, 11:10

MOSAiC-Expedition
Time to Say Goodbye

MOSAiC-Scholle hat ihr Lebensende erreicht. Polarstern stößt nun nach Norden vor.
[31. Juli 2020] - Quelle

Nach genau 300 Tagen Drift mit der MOSAiC-Eisscholle hat das internationale Team um Expeditionsleiter Markus Rex am 29. Juli 2020 mit dem Abbau des Forschungscamps auf der Scholle begonnen. Am Tag darauf ist die Scholle schließlich in viele Einzelteile zerbrochen. Nachdem die Expedition diese Scholle zehn Monate begleitet hat, wird sie nun das einzige noch fehlende Puzzlestück im Jahreszyklus des arktischen Meereises in den Fokus nehmen: den Beginn der Eisbildung.

Es kam wie erwartet: Unter lautem Knallen ist die Scholle der MOSAiC-Expedition am 30. Juli in viele Einzelteile zerbrochen, die nun in wenigen Tagen in die offenen Gewässer der Framstraße hinaustreiben werden. Momentan sind die Schollenteile nur noch fünf Kilometer von der Eiskante entfernt. Das Timing der Wissenschaftler war perfekt. Bis zum letzten Moment haben sie mit einem vollständigen Forschungscamp auf dieser Scholle geforscht, bevor sie es geordnet innerhalb nur eines Tages an Bord holten. Damit konnte wie geplant auch die allerletzte Phase des Lebens der MOSAiC-Scholle dokumentiert werden.

„Es ist uns gelungen, den Lebenszyklus der MOSAiC-Scholle seit Anfang Oktober letzten Jahres bis zu ihrem Ende zu begleiten. Sie hat uns 1700 Kilometer durch das Nordpolarmeer getragen, von der Laptewsee vorbei am Nordpol bis in die Framstraße. Hier beendet sie nun an der Eiskante ihren natürlichen Lebenszyklus, während sie unter dem Einfluss von Dünung und Wellen zerbricht, schließlich schmilzt und wieder zu dem Wasser des Ozeans wird, aus dem sie sich vor fast zwei Jahren vor der sibirischen Küste gebildet hat. Das Konzept dieser Expedition ist damit vollständig aufgegangen“, sagt Expeditionsleiter Prof. Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. „Jetzt steht das letzte noch fehlende Puzzlestück im Jahreszyklus des arktischen Meereises im Fokus, das beginnende Gefrieren am Ende des Sommers. Für diese Phase werden wir weit nach Norden vorstoßen, wo die Eisbildung bereits demnächst einsetzen wird.“

Die Polarstern wird aber zunächst noch nahe der Eiskante bleiben, bis der russische Forschungseisbrecher Akademik Tryoshnikov in den nächsten Tagen eintrifft. Er bringt das Wissenschaftsteam des letzten MOSAIC Abschnitts, neue Besatzungsmitglieder, Proviant und Treibstoff sowie Verbrauchsstoffe mit.

Am 4. Oktober 2019 hatten sich die Wissenschaftler der MOSAiC-Expedition nach kurzer aber intensiver Suche an der Eisscholle einfrieren lassen, auf der sie ihr Forschungscamp für die Drift durch das Nordpolarmeer aufbauten. Die Suche gestaltete sich als eine enorme Herausforderung, da es nach einem der wärmsten Sommer damals kaum ausreichend dicke Schollen in der Ausgangsregion der Expedition gab. Die Scholle ihrer Wahl bildete sich – wie sie später herausfanden – im Dezember 2018 vor den Neusibirischen Inseln. Die Wissenschaftler schätzten den ungewöhnlich stabilen Bereich der Scholle, der sich als guter Standort für das Forschungscamp herausstellte. Gleichzeitig war die Scholle in ihren anderen Bereichen relativ dünn und dynamisch und somit typisch für die neue Arktis. Gerade deshalb war sie für die wissenschaftlichen Projekte sehr gut geeignet. Im Laufe des Jahres sorgten Stürme immer wieder für Risse und Presseisrücken, die den Expeditionsteilnehmern viel abverlangten. Doch insgesamt blieb die Scholle bis zuletzt stabil – selbst während der Schmelzsaison, als die benachbarten Bereiche nach und nach zerbröselten.

„Wir haben unsere Scholle im vergangenen Herbst gesucht, gefunden, erkundet, besiedelt und aus allen denkbaren Perspektiven erforscht. Sie hat uns seitdem treu als stabile Basis für unser Forschungscamp gedient. In den vielen Monaten ist die Scholle für uns ein Zuhause geworden, das wir immer in Erinnerung behalten werden. Nun tritt sie ihren letzten Weg an und wird wieder zu Wasser. Es ist Zeit Abschied zu nehmen und für die letzte Phase der Expedition nach Norden aufzubrechen“, sagt Markus Rex.
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Auf der «Polarstern» ist Corona kein Thema - update

Beitragvon UliS » Mi 12. Aug 2020, 09:58

Auf der «Polarstern» ist Corona kein Thema
Quelle
Noch zwei Monate, dann kommt die «Polarstern» von ihrer historischen Arktis-Forschungsreise wieder nach Bremerhaven zurück. Über ein Jahr wird das Schiff unterwegs gewesen sein. Hat sich die teure und logistisch aufwendige Reise gelohnt?

Das Wichtigste in Kürze
Jahrelang war die einjährige Drift in der Arktis des deutschen Forschungsschiffes «Polarstern» mit Heimathafen Bremerhaven genauestens geplant worden.

Für grössere und kleinere Katastrophen waren am Alfred-Wegener-Institut (AWI) Notfallpläne ausgearbeitet worden.

Doch dann passierte etwas, womit niemand gerechnet hatte: die Corona-Krise. Eine Zeit lang musste befürchtet werden, dass die im September begonnene «Mosaic»-Expedition abgebrochen wird. «Das gesamte Logistikkonzept ist uns um die Ohren geflogen», sagt Expeditionsleiter Markus Rex rückblickend. Als schwierig erschien besonders der Personalaustausch während der Reise.

Doch AWI-Wissenschaftler Rex hielt stets am Rückkehrtermin 12. Oktober 2020 in Bremerhaven fest. Und sein Team und er schafften es mit einem Notfallplan tatsächlich, dass die Expedition fortgesetzt werden konnte. Inzwischen sei die Epidemie kaum noch Thema. «Corona haben wir fast schon vergessen an Bord», so Rex.

Am 20. September 2019 war die «Polarstern» vom norwegischen Tromsø aus gestartet. Kurz darauf driftete sie monatelang teils dicht am Nordpol mit einer riesigen Eisscholle mit, auf der ein Forschungscamp aufgebaut worden war. Rund die Hälfte der Zeit mussten die Wissenschaftler in der dunklen Polarnacht arbeiten. Ende Juli ist die Scholle in der sommerlichen Arktis in viele Einzelteile zerbrochen. Das Camp auf dem Eis war kurz zuvor abgebaut worden.

Die «Polarstern» ist noch einige Wochen für Messungen in der Region unterwegs, allerdings weiter nördlich. «Wir wollen solange bleiben, bis die Arktis wieder anfängt zuzufrieren. Das ist eine wichtige Phase im Eiszyklus», sagt Rex. Ende September wird die «Polarstern» schliesslich ihre Rückfahrt antreten.

«Mosaic» ist eine Reise der Superlative: Über 70 wissenschaftliche Institute aus fast 20 Ländern sind mit Hunderten Forschern beteiligt. Die Wissenschaftler an Bord wurden während der Reise mehrfach per Schiff ausgewechselt, zuletzt am Wochenende. «Eine Arktis-Expedition in dieser Grössenordnung hat es noch nie gegeben», sagt Rex. Die Kosten belaufen sich auf 140 Millionen Euro, Deutschland übernimmt die Hälfte.

Institute in aller Welt setzen grosse Hoffnungen auf die Ergebnisse der Expedition: Mit den Messungen und Experimenten im Nordpolarmeer soll der Klimawandel besser verstanden werden. Die Expeditionsteilnehmer beobachten dafür genauestens die Austauschprozesse zwischen Ozean, Eis und Atmosphäre. «Man kann jetzt schon sagen, dass die gewonnen Daten es erlauben werden, die sehr komplexen Prozesse im Klimasystem besser zu verstehen», betont Rex. Mit der Auswertung werde nach der Expedition begonnen. «Jetzt fokussieren wird uns erst einmal auf die Messungen.»

Der Wissenschaftler veranschaulicht seine Arbeit mit dem Bild einer Uhr: «Wer anfängt, jedes Zahnrädchen genauestens zu untersuchen und das Uhrwerk lange studiert, kann am Ende eine Uhr nachbauen», sagt Rex und fügt hinzu: «Wir wollen das Klimasystem nachbauen.» Dafür sei es nötig gewesen, den gesamten Lebenszyklus der Eisscholle zu begleiten, an die die «Polarstern» so lange angedockt war.

Allerdings musste das Forschungsschiff die Scholle für eine kurze Zeit verlassen und die Drift unterbrechen. Wegen der Corona-Krise und den damit verbundenen Reiseeinschränkungen konnte das Personal nicht wie geplant vor Ort auswechselt werden. Hier kam nun der neue Plan von Rex und seinem Team zum Zuge: Das Schiff fuhr nach Spitzbergen, um dort im Juni die neue Mannschaft an Bord zu holen und die alte von Bord zu lassen. Die Wissenschaftler hatten zwei Wochen in Bremerhavener Hotels in Quarantäne verbracht, um garantiert virusfrei zu sein. Seitdem ist auch Markus Rex wieder auf der «Polarstern». Er war bereits in den ersten Monaten auf dem Schiff und wird am 12. Oktober dabei sein, wenn die «Polarstern» in Bremerhaven einlaufen wird.
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Re: Auf der «Polarstern» ist Corona kein Thema - update

Beitragvon UliS » Fr 21. Aug 2020, 10:21

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Das Forschungsschiff "Polarstern" hat den nördlichsten Punkt unserer Erde erreicht - und das früher als geplant.
Foto: Graupner/dpa

Schneller als gedacht
Bremerhaven: Forschungsschiff "Polarstern" erreicht den Nordpol
20.08.2020 - Quelle

BREMERHAVEN. Das Forschungsschiff "Polarstern" hat auf dem letzten Fahrtabschnitt seiner Arktis.Expedition MOSAiC gestern um 12.45 Uhr den nördlichsten Punkt der Erde erreicht.

"Es war ein unglaublich schneller Ritt", sagte Expeditionsleiter Markus Rex am Mittwoch. "Wir hatten einen breiten Bereich mit geringer Eiskonzentration und dünnem Eis", sagte Rex. Gestartet war die "Polarstern" auf der Nordseite Grönlands. Normalerweise sei das Seegebiet dort so dicht bedeckt mit teilweise mehrjährigem Meereis, dass eine Fahrt dort nicht empfehlenswert sei.

Meereis schmilzt

"Es ist erschreckend zu sehen, wie dünn das Meereis ist und wie schnell es schmilzt. Es muss dringend etwas passieren. Die Arktis kann nicht lange warten." Das Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) hatte im Juli mitgeteilt, dass die arktische Meereisausdehnung so gering ist, wie es seit Beginn der Satellitenmessungen für den Monat Juli noch nie beobachtet wurde.

Das arktische Eis erreicht gewöhnlich im März seine größte und im September seine geringste Ausdehnung. Im September 2012 war mit 3,4 Millionen Quadratkilometern die bislang kleinste Eisfläche seit 1979 beobachtet worden, im September 2019 die zweitgeringste Ausdehnung. Ob die Negativ-Rekorde in diesem Jahr noch einmal getoppt werden, werde sich im September zeigen, so Rex.

Über den Nordpol nach Sibirien

Die "Polarstern" ist seit elf Monaten in der Arktis unterwegs. Zunächst driftete sie mit einer riesigen Scholle mit, Ende Juli zerbrach diese. Seitdem fährt der Eisbrecher unter Motor wieder Richtung Norden. "Wir werden über den Nordpol hinaus Richtung Sibirien fahren, um uns eine neue Eisscholle zu suchen", sagte Rex. Dort wollen die Wissenschaftler den beginnenden Gefrierprozess beobachten. Es ist das letzte Puzzlestück, das den Forschern in der Beobachtung des Jahreszyklus des Eises in der Arktis fehlt. (dpa)
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Re: "Polarstern" erreicht den Nordpol - update

Beitragvon UliS » Di 1. Sep 2020, 17:33

Standdatum: 31. August 2020. : Sonja Harbers
Nach Stopp durch Corona: Flugzeuge starten zur "Mosaic"-Expedition - Quelle

Nach einem Corona-Fall unter den Forschern konnten die Messflüge nicht beginnen. Jetzt sind die Forschungsflieger des Bremerhavener AWI endlich in der Arktis gelandet.

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Ein Flugzeug steht inmitten einer Schneelandschaft
Die Forschungsflugzeuge des Alfred-Wegener-Instituts – hier die "Polar 5" – unterstützen die "Mosaic"-Expedition. Bild: Alfred Wegener Institut | Stefan Hendricks

Eigentlich sollten die Polarforschungsflugzeuge des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven schon im Frühling zu Messkampagnen in die Arktis fliegen und das Forschungsprogramm der "Mosaic"-Expedition ergänzen. Doch wegen der Corona-Pandemie fielen die Flüge aus. Bei einem Teilnehmer der Flug-Kampagnen war Corona nachgewiesen worden, nachdem er sich in einem Lehrgang mit seinen Kollegen auf den Einsatz vorbereitet hatte. Später war dann der Flughafen im norwegischen Spitzbergen wegen Corona gesperrt worden.

Jetzt aber sind die beiden deutschen Polarforschungsflugzeuge "Polar 5" und "Polar 6" nach einer fünfmonatigen Zwangspause in der Arktis angekommen. Die deutschen Forschungsflieger sind die ersten beiden ausländischen Flugzeuge auf Spitzbergen seit dem Lockdown. Die Rückkehr der Wissenschaftler ist für die dritte Septemberwoche geplant.
Die "Mosaic"-Expedition
Während der "Mosaic"-Expedition erforschen Wissenschaftler aus 20 Nationen die Arktis im Jahresverlauf. Von Herbst 2019 bis Herbst 2020 driftet der deutsche Eisbrecher "Polarstern" durch das Nordpolarmeer. Beteiligt sind mehr als 80 Forschungsinstitute. Das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven leitet die Expedition. Das Budget der Expedition beträgt mehr als 140 Millionen Euro.

Was untersuchen die Forscher?

Mit den wissenschaftlichen Messflügen wollen die Forscher die Atmosphäre und das Meereis untersuchen. Im Mittelpunkt steht zum einen die Wolkenbildung über dem Arktischen Ozean. Außerdem untersuchen die Wissenschaftler, ob das Meereis dicker oder dünner war als in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten und wie sich die überdurchschnittlich hohen Sommertemperaturen auf die arktische Eisdecke ausgewirkt haben.

Warum untersuchen sie ausgerechnet die Wolken?

Die beteiligten Atmosphärenforscher wollen herausfinden, auf welche Weise sich Wolken über dem Arktischen Ozean bilden. Von vorhergehenden Untersuchungen weiß man, dass Wolken maßgeblich zur rasanten Erwärmung der Arktis beitragen. Moderne Atmosphärenmodelle aber unterschätzen bislang den Einfluss der Wolken und simulieren ihn noch nicht richtig. Aus diesem Grund wird das Team, zu dem Forscher des AWI, der Universitäten Leipzig, Bremen und Köln sowie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gehören, die Luftmassen über dem Arktischen Ozean großräumig vermessen und alle für die Wolkenbildung relevanten Faktoren im Detail untersuchen.

Geplant ist zudem, dass die "Polar 5" der Route folgt, die zuvor der Forschungseisbrecher "Polarstern" entlanggedriftet ist. So will das Flug-Team die Messdaten der Forscher auf dem Schiff und auf dem Eis mit Messwerten aus der Luft vervollständigen. Mithilfe der Daten sollen später die Atmosphärenmodelle verbessert werden.

Können alle ausgefallenen Flüge nachgeholt werden?

Ursprünglich sollten im Rahmen der "Mosaic"-Expedition vier Flugkampagnen stattfinden – zwei im Frühling und zwei im Sommer. Die für Frühjahr geplanten Flugkampagnen werden nicht nachgeholt. Die Forscher hoffen aber, dennoch genügend Daten sammeln zu können.

Darum ist die Mosaic-Expedition der Polarstern trotz Corona gerettet
VIDEO: https://www.butenunbinnen.de/videos/pol ... a-100.html
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Re: Flugzeuge starten zur "Mosaic"-Expedition - update

Beitragvon UliS » Do 8. Okt 2020, 10:56

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Portrait
Über die Berge aufs Meereis

Er war der Expeditionsleiter der Mittwinter-Königsetappe der MOSAiC-Expedition und konnte selbst drei Monaten Dunkelheit etwas abgewinnen: Der Geophysiker Christian Haas liebt es, in den entferntesten Ecken der Welt das Meereis zu studieren – doch genauso liebt er die Berge. Als Bergsteiger hat er fast alle großen Gipfel der Alpen erobert.

Schnee und Eis sind die große Leidenschaft von Christian Haas. Besonders das Meereis hat es ihm angetan, doch dafür musste er zunächst hoch hinaus. „Ich habe als Bergsteiger angefangen“, erzählt der Eisforscher, der die MOSAiC-Expedition an Bord der „Polarstern“ über die dunklen Monate leitete. „Ich liebte schon immer Schnee und Eis und habe deswegen Geophysik studiert. Mein großer Traum war es immer, in die Antarktis zu kommen, dafür habe ich alles gegeben.“

Zunächst ging es für Christian Haas vor fast 30 Jahren aber in die Arktis – mit der „Polarstern“! Noch im Studium heuerte er dafür beim Alfred-Wegener-Institut (AWI) an. Er war an Bord, als das deutsche Forschungsschiff 1991 als erstes konventionelles, nicht-atomar betriebenes Schiff den Nordpol erreichte. Im Jahr darauf erfüllte sich sein Traum und er betrat die Antarktis. Seitdem konnte er jedes Jahr seine Füße auf Meereis stellen, stets unter dem Deckmantel seines Hauptforschungsinteresses: der Rolle des arktischen und antarktischen Meereises für das Klima und das Ökosystem sowie seiner Nutzung durch die Menschen.

Im Studium der Geophysik beschäftigte sich Christian Haas mit der Untersuchung oberflächennaher Schichten. „Ich habe festgestellt, dass sich die dabei gemachten Erfahrungen gut auf Untersuchungen des Meereises übertragen lassen“, sagt er. „Meine Spezialität sind großflächige systematische Eisdickenmessungen, und das machen wir mit einem geophysikalischen Verfahren.“ Das sogenannte elektromagnetische Induktionsverfahren wird für die Rohstoffexplorationen an Land schon lange verwendet. Doch erst unter der Federführung von Haas wurde es in der Meereisforschung als gängiges Verfahren etabliert. Der Geophysiker leistete außerdem Pionierarbeit bei der Identifizierung der Auswirkungen von sommerlichen Schneeprozessen auf die Massenbilanz, die Mikrowelleneigenschaften und die biologische Primärproduktivität des antarktischen Meereises. Mehr als 30 Feldkampagnen in der Arktis und zwölf Forschungsprojekte in der Antarktis standen bislang unter seiner Leitung.

Christian Haas arbeitete von 1996 bis 2007 für das AWI, bevor er für neun Jahre nach Kanada an die University of Alberta und an die York University in Toronto ging. „Mir schien es naheliegend, für die Meereisforschung in ein Land zu gehen, dass selbst über Meereis verfügt“, begründet er die Entscheidung, mit seiner Frau und den drei Kindern einen so großen Schritt zu wagen. „Allerdings musste ich feststellen, dass die Forschung der Kanadier sehr nach innen gerichtet ist und stark unter kanadischer Perspektive steht. Das ist zwar auch sehr interessant, aber die globalen Probleme spielen keine große Rolle und werden sehr selten bearbeitet.“

Schon von Kanada aus begann er, sich an den Planungen für die MOSAiC-Expedition zu beteiligen. Schnell wurde ihm aber klar, dass eine Teilnahme unter kanadischer Flagge nicht realistisch ist, weil die Fragestellung, unter der seine Forschung stehen würde, derjenigen am AWI selbst zu ähnlich gewesen wäre. „Dass es meine Familie nach Deutschland zurückzog, war also ein glücklicher Zufall.“ Zurück am AWI übernahm er 2016 die Leitung der Meereis-Sektion und koordiniert nun ein Team aus 30 Personen – eine Aufgabe, zu der auch gute Kommunikation und Menschenkenntnis gehören. Das liegt ihm und hat ihn prädestiniert für die Leitung der dunklen Etappe.

Ab Mitte Dezember 2019 hatte Christian Haas auf der „Polarstern“ für fast drei Monate das wissenschaftliche Sagen und übernahm die Gesamtverantwortung für die ganze Expedition. Eine Zeit, in der die Sonne niemals aufging. In der es wichtig war, zusammenzuhalten, auszuhalten, das internationale Team zusammenzuschweißen. Weihnachten, Silvester feiern, fern der Familien und bei mitunter gefühlten -60 Grad Celsius. „Der Mittwinter stand uns allen bevor, keiner wusste, wie er oder sie darauf reagiert. Drei Monate in der Polarnacht – das macht was mit einem“, bemerkt er. „Aber wir sind alle gut zurechtgekommen, was an der strikten Arbeit lag, an der guten Versorgung und an den Freizeitmöglichkeiten an Bord, aber auch an der guten Gemeinschaft mit internationalen Kollegen.“ Als endlich die Dämmerung begann, als die Sonne langsam immer höher unter den Horizont kam, war das Team erleichtert und fasziniert. „Da hatte man richtig das Gefühl, dass die Erde eine Kugel ist, denn das fahle Licht geht ringsum. Die nautische Dämmerung war für mich einer der beeindruckendsten Momente der Fahrt.“

Aus seiner langjährigen Erfahrung weiß Christian Haas genau, dass das Meereis ein wichtiger Indikator für den Klimawandel ist. „Als ich meine ersten Schritte auf Meereis machte, betrug die Dicke noch zwei bis drei Meter, heute sind es im Sommer kaum noch 90 Zentimeter“, erzählt Haas. „Die Arktis ist das Epizentrum des globalen Klimawandels.“ Wie sich die Klimaveränderungen auf den Bergen zeigt, beobachtet Christian Haas weiterhin. Er unterrichtet einen Gletscher-Feldkurs im Ötztal in Tirol und hat auch privat das Bergsteigen niemals aufgegeben. Mittlerweile hat er fast alle großen Berge der Alpen bestiegen. Einzig der Gipfel der Monte Rosa, dem höchsten Berg der Schweiz, blieb ihm bislang trotz zweier Versuche wegen Lawinengefahr verwehrt. „Aber ich werde es weiter versuchen“, bekräftigt er.
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Re: Über die Berge aufs Meereis - update

Beitragvon UliS » Sa 10. Okt 2020, 11:00

«Polarstern» kehrt aus der Arktis zurück - Quelle

Das Handout des Alfred-Wegener-Instituts zeigt das deutsche Forschungsschiff «Polarstern», das sich in der Arktis dem Nordpol nähert.

Über ein Jahr lang war der Eisbrecher «Polarstern» unterwegs. In der Zentralarktis driftete er mit einer großen Eisscholle mit. Am Montag kehrt das Forschungsschiff nach Bremerhaven zurück. Mit dabei: viele wertvolle Daten - und Erinnerungen an eine abenteuerliche Zeit.

Wenn am Montag (12. Oktober) das deutsche Forschungsschiff «Polarstern» nach einem Jahr in der Arktis in seinen Heimathafen Bremerhaven zurückkehrt, wird auch Expeditionsleiter Markus Rex an Bord sein.

Der Atmosphärenphysiker hat drei von fünf Etappen der «Mosaic»-Expedition begleitet und war somit mit am längsten an Bord. Hinter ihm und seinem Team liegt eine der abenteuerlichsten Fahrten in der Geschichte der Arktis-Forschung, die am 20. September 2019 in Norwegen begann - und die wegen der Corona-Pandemie zeitweise auf der Kippe stand.

Zehn Monate lang driftete die «Polarstern» angedockt an eine riesige Eisscholle durch die Arktis. Den gesamten Eiszyklus vom Gefrieren bis zur Schmelze zu beobachten, zu messen und zu dokumentieren - das konnten die Wissenschaftler so zum ersten Mal. Sie versprechen sich von den gewonnenen Daten wichtige Erkenntnisse über das Nordpolarmeer - und über den Klimawandel. Kaum eine Region auf der Erde bekommt ihn so deutlich zu spüren wie die Arktis.

Nach dem Zerbrechen der Scholle Ende Juli in der sommerlichen Arktis führte die letzte Etappe die «Polarstern» unter Motor noch einmal Richtung Nordpol. Was Rex da gesehen hat, hat ihn entsetzt: «Das Eis am Nordpol war völlig aufgeschmolzen, bis kurz vor dem Pol gab es Bereiche offenen Wassers.» Dort, wo normalerweise dichtes, mehrjähriges Eis war, sei die «Polarstern» in Rekordzeit durchgefahren. «Wir haben dem Eis beim Sterben zugeschaut», sagt Rex.

Es ist eines der Erlebnisse, die ihm und seinem Team in Erinnerung bleiben werden von einer Fahrt der Superlative. Mit 140 Millionen Euro Budget war es die bisher teuerste und logistisch aufwendigste Expedition in die zentrale Arktis. Fast 500 Menschen aus allen Ecken der Welt waren etappenweise an Bord. Rex, der für das Alfred-Wegener-Institut (AWI) arbeitet, fühlte sich für das Wohlergehen aller verantwortlich. Er ist nun froh, dass die Reise ohne größere Blessuren zu Ende geht. Das Schlimmste sei ein Beinbruch eines Kollegen gleich am Anfang an Bord gewesen. Dazu kamen kleinere Erfrierungen im Gesicht bei einigen Teilnehmern - bei bis zu minus 42 Grad nichts Ungewöhnliches. «Die verheilten aber problemlos», sagt Rex.

Dabei hätte viel passieren können. Begegnungen mit Eisbären gab auf der Scholle viele. An eine besonders brenzlige erinnert sich Rex: «Der Bär war nur noch 40 Meter vom Eisbärenwächter entfernt.» Dem Wächter gelang es erst mit einem Schuss knapp über den Eisbärenkopf, das Tier zu verjagen. Damit die Wissenschaftler in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen konnten, sicherten Wächter die Scholle permanent ab. Meist vertrieb bereits Lärm die vierbeinigen Gäste.

Am Abend des 10. Oktober 2019 war AWI-Fotografin Esther Horvath bei einem solchen Besuch an Bord. Vom Bug der «Polarstern» aus fotografierte sie eine Eisbärenmutter und ihr Junges, die das Forschungscamp erkundeten. «Ich hatte schon in dem Moment das Gefühl, dass es ein wichtiges Foto sein wird», erzählt sie. Tatsächlich gewann das Bild den renommierten «World Press Photo Award» in der Kategorie «Umwelt».

Auch andere Tiere kamen zu Besuch. Christian Haas, Fahrtleiter der zweiten Etappe, erinnert sich: «Ein kleiner, niedlicher Polarfuchs hätte fast das ganze Projekt zum Scheitern gebracht, weil er mit Vorliebe Strom- und Datenkabel auf dem Eis angeknabbert hat und sich nicht vertreiben lassen wollte.»

Noch stärker als die Tiere beeindruckte Fotografin Horvath die Polarnacht. «Dieses tiefe Schwarz hat mich jeden Tag aufs Neue fasziniert, das war magisch», sagt sie. Von Mitte Oktober vergangenen Jahres an war es durchgehend dunkel. «Auf der Scholle wurde im Licht der 'Polarstern' und der Kopflampen gearbeitet. Ich habe mich ständig wie in einer Kinoszene gefühlt.»

Als die Sonne im März langsam zurückkehrte, war Horvath nicht mehr an Bord. Miterlebt hat das aber Geophysiker Haas. Für ihn war das Einsetzen der «nautischen Dämmerung» beeindruckend: «Weil sich dieser fahle Lichtschein in der Nähe des Nordpols innerhalb eines Tages um den kompletten Horizont um uns herumdreht, kann man erahnen, dass die Erde eine Kugel ist.»

Christian Pilz, Atmosphärenphysiker am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig, hat das Gegenteil der Nacht erlebt: den Polartag. Er war im Sommer zwei Monate an Bord und hatte wegen der durchgängigen Helligkeit und Temperaturen um null Grad gute Arbeitsbedingungen. «In unseren roten Sicherheitsanzügen war es fast zu warm.» Pilz und seine Kollegen ließen einen Fesselballon von der Größe eines Linienbusses in bis zu 1000 Meter Höhe aufsteigen, um dort atmosphärische Parameter wie Turbulenz, Strahlung und Feinstaubkonzentration zu messen.

Eigentlich hatte Pilz schon zwei Monate früher an Bord sein sollen. Doch mit dem Beginn der Corona-Pandemie war zunächst unklar, ob die «Mosaic»-Expedition fortgesetzt werden kann. Wegen der Reisebeschränkungen war der vorgesehene Austausch des Teams an Bord per Flugzeug nicht möglich. Stattdessen fuhren schließlich zwei Forschungsschiffe mit Wissenschaftlern von Bremerhaven aus los. Die «Polarstern» unterbrach ihre Drift, die Mannschaften konnten in Spitzbergen ausgetauscht werden. Die «Polarstern» kehrte zurück an ihre Scholle und setzte die Drift fort.

Leiter Markus Rex ist mehr als zufrieden mit dem Verlauf der Expedition. «Nicht mal Corona hat uns aus der Bahn geworfen», betont er. «Während der Abwesenheit der 'Polarstern' haben wichtige Messinstrumente autonom auf der Scholle weitergearbeitet.» In dem gesamten Jahr seien unzählige Proben und Daten von Eis, Schnee, Wasser und Luft gesammelt worden. «Die werden noch künftige Generationen von Wissenschaftlern beschäftigen.»

Neben der vielen Arbeit gab es dabei auch Zeit für Spieleabende, Sport und Feste. Nicht nur Weihnachten wurde an Bord gefeiert, sondern auch Geburtstage, so wie der von Markus Rex im November. Auf der Scholle wurde eine Eisbar aufgebaut, bei minus 30 Grad gab es Glühwein. Rex: «Der erste Schluck ist noch warm, der zweite kalt und der dritte ist Eis.»

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Re: Polarstern - kehrt aus der Arktis zurück - update

Beitragvon UliS » Sa 24. Okt 2020, 11:57

Über die WSL
Blog «Logbuch»Mosaic-Expedition
Von Schneeschlitten und Eisbären

23.10.2020 | Logbuch - Quelle
Dr. Ruzica Dadic
Victoria University Wellington
ruzica.dadic(at)vuw.ac.nz


Am 12. Oktober 2020 ist das Forschungsschiff «Polarstern» aus der Arktis zurückgekehrt. Ruzica Dadic war auf der letzten Etappe der MOSAiC-Expedition dabei und erklärt in diesem Logbuch-Eintrag unter anderem den Zusammenhang zwischen Eisbären und Schneeschlitten.

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Schneewissenschaftlerin Ruzica Dadic in der Arktis auf dem Weg zur Arbeit. Foto: Niklas Schaaf
Ruzica Dadic mit dem SnowMicroPen®. Im Hintergrund das Forschungsschiff «Polarstern». Foto: Mario Hoppmann, AWI

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Ruzica Dadic mit dem SnowMicroPen®. Im Hintergrund das Forschungsschiff «Polarstern». Foto: Mario Hoppmann, AWI

Wellington, Neuseeland, 15. Juli 2020, 4:30 Uhr: Heute beginnt die MOSAiC-Expedition für mich. In der Panik, etwas zu vergessen, wache ich früh auf und entscheide mich, noch einige Kneuel Wolle einzupacken, falls es mir auf dem Forschungsschiff «Polarstern» langweilig wird. In ein paar Stunden muss ich mich für dreieinhalb Monate von meinen drei Kindern verabschieden, und mein Magen macht ein paar «Purzelbäume».

... fastforward zum 12. August: Nach einem 36-stündigen Flug, zwei Wochen Quarantäne in Bremerhaven und zwei Wochen Schiffsreise auf dem Russischen Eisbrecher Akademik Tryoshnikov, erblicken wir endlich die Polarstern. Nach weiteren 3 Tagen hin und her zwischen den beiden Schiffen, wo Amy, die nun nach zwei MOSAiC-Fahrtabschnitten nach Hause geht, und ich Informationen austauschen können, geht es dann endlich los zu unserer neuen Eischolle.

... fastforward zum 20. August: Nach einem kurzen Abstecher zum Nordpol wachen wir eines Morgens auf, um uns nun an einer neuen Scholle wiederzufinden. Und siehe da: es gibt ja überhaupt keinen Schnee! Das weisse Zeug sieht zwar wie Schnee aus und fühlt sich wie Schnee an, ist aber die sogenannte «Streuschicht», die aus geschmolzenem Meereis besteht, aus der die Salzlake bereits ausgelaufen ist. Aber wir lassen uns dadurch nicht entmutigen und wollen uns ja gleich an die «Schneemessungen» machen.

Ein kleines Problem ist aber noch da:

Wie packen wir den Berg von Schneeinstrumenten auf einen Schlitten?

Da ich bei den Messungen nicht immer helfende Hände zur Verfügung habe, sind mehrere Schlitten ja eher unpraktisch. Glücklicherweise haben uns unsere Kollegen aus Colorado einen ihrer grossen Schlitten ausgeliehen, und wir sind bereit für die Arbeit. Oder auf jeden Fall denken wir, dass wir bereit sind, denn das erstmalige Packen von dem Schneeprofil-Schlitten erfordert ein bisschen Vorstellungsvermögen, da das immer noch ein bisschen viel Zeugs ist, das auf den Schlitten gepackt werden sollte.

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Der Arbeitsweg im Detail: Im Schlepptau ein vollbepackter Schneeschlitten. Foto: Mario Hoppmann, AWI

Aber als pfiffige Schneewissenschaftlerinnen haben wir dann Ruckzuck die im Prinzip einzige Möglichkeit gefunden, um alle notwendigen Instrumente auf dem Schlitten unterzubringen. Danach haben wir wochenlang Schneeprofile gemessen, bis eines Tages auf einmal ein Eisbär angerannt kam und alle auf das Schiff zurückgepfiffen wurden. Da beim Packen des Schneeschlittens Hochpräzisionsarbeit erforderlich ist, konnten wir diesen nicht rechtzeitig packen und mussten ihn auf der Eisscholle zurücklassen. Vom Schiff aus haben wir dann beobachtet, wie der Eisbär mit grossem Interesse an den Schneeinstrumenten herumschnüffelt hat. Dabei war uns Angst und Bange, dass er die empfindlichen Messgeräte oder gar die wertvollen Daten verzehren würde.

Auch Eisbären verspüren Langeweile

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Schneewissenschaftlerinnen bei der Arbeit. Im Hintergrund: die Wetterstation, das Lieblingsspielzeug des Eisbären. Foto: Mario Hoppmann, AWI

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Auch der Eisbär hatte alle Hände voll zu tun. Foto: Polarstern Chief Engineer

Zum Glück für uns (und zum Leidwesen unseres Kollegen) hat aber bald eine automatische Wetterstation die Neugier des Eisbären geweckt und er ist dorthin weitergezogen, um ein bisschen mit den lustigen Windmessgeräten zu spielen. Nachdem der Eisbär jedes einzelne Instrument auf unserer Scholle genau inspiziert hatte, wurde ihm langweilig und er ist schliesslich weitergezogen. Danach konnten wir unseren glücklicherweise unversehrten Schneeschlitten wieder zurück auf das Schiff holen.

Der eine oder andere Eisbär hat uns dann auch ein noch ein paar Mal besucht und wir mussten noch des Öfteren unsere Messungen unterbrechen. Aber am Schluss hatten wir immer genug gute Schneemessungen und spannende Abenteuer. Jetzt sind wir auf der Rückreise nach Bremerhaven, MOSAiC ist zu Ende, und wir sind für das nächste «Abenteuer» bereit: die Datenauswertung. Unsere Messungen sind wichtige Puzzlestücke, um die Rolle von Schnee auf Meereis und damit auch das Klima der Polargebiete besser zu verstehen. Und das freut dann auch den Eisbären.

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UliS
 
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Re: MOSAIC Sachsen-Anhalter auf der "Polarstern - update

Beitragvon UliS » Do 21. Jan 2021, 15:44

Ein Jahr Arktis
Sachsen-Anhalter auf der "Polarstern"

17.11.2020

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Polarforscher Sandro Dahlke aus Wittenberg mit einem Wetterballon auf der Forschungs-Eisscholle des Eisbrechers „Polarstern“. Foto: Lianna Nixon

Ein Jahr lang war der deutsche Forschungseisbrecher „Polarstern“ in der Arktis auf Expedition. An Bord: Der Sachsen-Anhalter Sandro Dahlke.
Von Alexander Walter › - Quelle
Zahlen & Fakten

Bei der vom deutschen Alfred-Wegener-Institut angeleiteten Mission „Mosaic“ („Multidiziplinäres Driftobservatorium zur Untersuchung des Arktisklimas“) ließ sich der deutsche Forschungseisbrecher „Polarstern“ von Herbst 2019 bis Herbst 2020 im arktischen Meereis einfrieren und mit der Strömung um den Nordpol treiben. Ziel war es, die Zusammenhänge zwischen Ozean, Eis, Atmosphäre und Ökosystem zu untersuchen. Das ist so umfangreich noch nie geschehen. Beteiligt waren Forscher aus 20 Nationen und von 80 Institutionen. Die Mission war gemessen an Budget (140 Millionen Euro), Logistik und Zahl der Teilnehmer die bislang größte Arktisexpedition. (aw)

Magdeburg l Als Fritjof Nansen im Jahr 1893 mit seinem Forschungsschiff „Fram“ zum Nordpol aufbricht, steht noch die Morgendämmerung über den Naturwissenschaften. Geografen ist damals nicht einmal klar, was sie „dort oben“, hoch im Norden, genau erwartet: Nur nachtkalte Tiefsee oder auch ein Kontinent, wie unter dem Südpol?

Nansen glaubt fest, dass sich unter der weißen Eiswüste nichts als Wasser finden wird. Der Norweger will das beweisen, lässt sein Schiff im Meereis einfrieren und über Monate von Sibirien durch die Arktis bis nach Grönland driften. Hätte er unrecht gehabt: Die „Fram“ wäre wohl auf Grund gelaufen, die Expedition gescheitert. So aber geht Nansen als einer der größten Polarforscher in die Geschichte ein.

Größte Polarmission der Geschichte

Mehr als 125 Jahre später, am 20. September 2019, bricht der deutsche Forschungseisbrecher „Polarstern“ vom norwegischen Tromsö aus zu einer ganz ähnliche Expedition auf. Anliegen der „Mosaic“ genannten Expedition ist diesmal allerdings nicht – wie einst – das Wagnis einer der letzten großen Entdeckungsfahrten.

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Das deutsche Forschungsschiff „Polarstern“ im Sommer dieses Jahres im geschmolzenen Eis der Arktis. Foto: dpa

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Ein Wächter sucht die arktische Landschaft mit dem Fernrohr auf mögliche Eisbärannäherungen ab. Foto: Sandro Dahlke

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Eisbären an einer Fahne des Forschungscamps. Waren Wissenschaftler auf dem Eis, überwachten Eisbärwächter ständig die Umgebung. Foto: Sandro Dahlke

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Wissenschaftler beim Ausladen von Forschungsinstrumenten vom Forschungsschiff Polarstern. Bei der Arktis-Expedition ließ sich das Schiff „Polarstern“ ein Jahr an einer Scholle festfrieren. Foto: dpa

Vielmehr dringen Forscher und Crew nun ins Epizentrum des Klimawandels vor. Dreimal schneller als der Rest der Erde erwärmte sich die Region zuletzt. Ein Jahr lang im Meereis eingefroren, soll ein wechselndes Team untersuchen, wie Ozean, Eis, Atmosphäre und Lebewesen sich im Klima der Arktis gegenseitig beeinflussen. Das gab es so noch nie. Langfristige Klimadaten der Arktis, erhoben vor Ort – sie fehlen der Forschung bislang fast gänzlich. Mit an Bord: der aus Wittenberg stammende Klimaphysiker Sandro Dahlke, Mitarbeiter am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI), bei dem auch die Leitung der Gesamtmission liegt.

Dahlke ist zweimal für mehrere Monate an Bord – am Anfang und am Ende der Expedition. Seine Aufgabe: Er soll Daten über die Luftsäule über der Arktis sammeln, doch dazu später mehr.

Wie auf einem anderen Planeten

Für den inzwischen promovierten Atmosphärenphysiker ist die Expedition vor allem auch ein Abenteuer: „Ich war zwar schon mal auf Spitzbergen. Aber allein mit dem Eisbrecher über arktisches Meereis zu fahren, das ist schon etwas Einmaliges“, sagt er.

Der 31-Jährige berichtet vom Knarren des Schiffsrumpfes, während sich der Eisbrecher seinen Weg durchs Packeis bahnt.

Für Dahlke unvergesslich auch die Erfahrung, durch eine monatelang in stockfinstere Nacht gehüllte Eislandschaft zu laufen – getrennt nur durch eine zwei Meter dicke Eisschicht vom darunterliegenden 4000 Meter tiefen Ozean. So dunkel die Arktis im Winter ist, so hell wird sie im Sommer: Ein Foto, aufgenommen von Dahlke, zeigt, wie ein Expeditionsmitglied über aufgetürmtes Eis in eine schier endlose Weite unter dem fahlen Licht der Polarsonne blickt.

„Die Landschaft, die Stille – all das ist wie auf einem anderen Planeten“, sagt der 31-Jährige.

Bei aller Romantik ist die mehr als 140 Millionen Euro teure Expedition von Anfang aber auch ein logistischer Kraftakt: Sieben Schiffe, darunter russische Eisbrecher, aber auch Flugzeuge liefern während der Drift Nachschub an Lebensmitteln und Material. Ein Helikopter-Team an Bord bricht bei Bedarf zu Erkundungs- und Hilfsflügen auf.

Nach ihrer Anfahrt durch die Barentsee und an den Inseln Nowaja Semlja und Sewernaja Semlja vorbei muss die „Polarstern“ aber zunächst eine Eisscholle finden, die groß genug ist, um als Basis für Messungen zu taugen. Im Oktober 2019 macht das Forschungsschiff schließlich an einer 1,5 mal drei Kilometer großen Scholle fest.

Gefahr durch Eisbären

Das Schiff bleibt während der gesamten Mission Rückzugsort und Basis einer ganzen Stadt von Forschungspunkten, die die Wissenschaftler hier oben mühsam aufbauen. Geschlafen und gegessen wird an Bord.

Die Messungen aber erfolgen in über Hunderte Meter verteilten Zelten rund um das Schiff. Die Forscher bleiben dabei nicht unbehelligt. Denn Herrscher der Arktis ist ein anderes Wesen: Der Eisbär. Rund 60-mal sucht das größte Landraubtier der Erde während der Drift die „Stadt“ der Menschen auf. Damit Begegnungen nicht blutig enden, stehen Eisbärwächter während der Messarbeiten ständig auf Posten.

Auch Sandro Dahlke übernimmt die Aufgabe zeitweise. Einmal ist er als Forscher selbst in einem Zelt, als er im Funk die Warnung „Eisbär“, „Eisbär“ hört.

„Wir hatten gerade Proben aus einem Wasserloch genommen. Als wir die Köpfe aus dem Zelt steckten, haben wir gesehen, dass der Bär schon ziemlich nah war“, sagt Dahlke. „Da wird einem schon mulmig, wir haben dann zugesehen, dass wir schnell zum Schiff kamen, das war ja ein paar hundert Meter weg.“

Eis nur noch halb so mächtig wie 1980

Und doch gehörten Eisbärsichtungen meist zu den schönsten Momenten, der Mission, sagt der Forscher. Der Sachsen-Anhalter brachte viele Fotos der durch den Klimawandel bedrohten Riesen mit, als die „Polarstern“ am 12. Oktober wieder im Heimathafen Bremerhaven einlief.

Apropros Klimawandel: Was haben die Forscher bei ihrer Mission herausgefunden? Für eine Auswertung ist es zu früh, sagt Dahlke. Doch schon während der Expedition, wurde klar, dass sich das Klima in der Arktis stark verändert: „Die Temperatur lag fast durchgehend zehn Grad höher, als noch während der Expedition von Fritjof Nansen.“

Auch die Eisdicke war oft nur halb so stark wie noch vor 40 Jahren. Die wegen ihrer roten Farbe „Miss Piggy“ genannten Wetterballons des AWI stellten in mehreren hundert Metern Höhe teils deutliche Plusgrade fest – auch das sollte so nicht sein.

Kurz vor dem Finale der Mission schmolz der Forschungsstadt Ende Juli schließlich buchstäblich der Boden unter den Füßen weg. Nach 300 Tagen und 1700 Kilometern Drift zerbrach die Eisscholle in 1000 Teile. Die Forscher bauten ihre Zelte ab. Ein letztes Mal drang die Polarstern nochmals nach Norden vor, um das beginnende Gefrieren des Meereises zu beobachten.

Missionsteam aus 37 Nationen

Am Ende hat die Mission in vielerlei Hinsicht Rekorde aufgestellt: Mit 156 Kilometern Distanz etwa kam kein Schiff dem Nordpol im Winter je näher. Im endenden Nordsommer 2020 überquerte die Polarstern auch den geografischen Nordpol.

Sandro Dahlke hat seinen 31. Geburtstag auf dem Schiff begangen. Was bleibt für ihn von der Mission? „Zum einen der Austausch mit den internationalen Kollegen“, sagt er. Es sei toll, wie Menschen aus 37 Nationen mit so unterschiedlichen Hintergründen zusammengearbeitet hätten, darunter allein Forscher aus 20 Nationen.

Eingebrannt hat sich für den Sachsen-Anhalter vor allem aber auch die Schönheit der Natur: „Selbst die scheinbare Ödnis der Eislandschaft ist voller Leben“, sagt er. Dahlke erzählt von einer Robbe, die in direkter Nähe zum Nordpol an einem Wasserloch lag und schlief. Der Forscher möchte, dass es solche Bilder auch zukünftig noch gibt. Bestenfalls auch dank der historischen Mission der „Polarstern“.
UliS
 
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