Unsere Meere sind voller Plastik, an dem immer mehr Tiere verenden. Ein australisches Forscherteam wollte wissen, woran genau. Für Seevögel gilt: je weicher der Müll, desto tödlicher.

Toter Seevogel: Plastiknetz-Müll sieht man, doch häufiger sterben Vögel an Plastik, das sie fressen Foto: Getty Images
Keine Gruppe von Vögeln sei in ihrem Bestand gefährdeter als Seevögel, schreibt eine australische Forschergruppe in einer Studie, die vom Fachblatt "Scientific Reports" veröffentlicht wurde. Der Bestand fast der Hälfte aller Arten sei rückläufig, 28 Prozent weltweit gelten als gefährdet.
Zugleich schwimmen in den Meeren geschätzt 250.000 Tonnen Plastikmüll, an dem Seevögel nachweislich häufig verenden. Die Korrelation zwischen sterbenden Seevögeln und Plastik im Wasser und am Strand wird weithin gesehen, ist aber letztlich anekdotisch: Studien dazu gibt es bisher nur wenige.
Jetzt gibt es eine mehr, und die geht ins Detail. Das Forscherteam sezierte 1733 tote Seevögel, die rund um Australien und Neuseeland geborgen wurden, und bestimmte - soweit möglich - die Todesursache der Vögel. Mit Blick auf verspeisten Plastikmüll quantifizierte die Gruppe, welche Mengen und welche Arten von Plastik mit dem höchsten Sterberisiko verbunden werden konnten.
Was sie fanden: Bei 73 Prozent der untersuchten Vögel war Plastik nicht die Todesursache. Immerhin 32,1 Prozent der untersuchten Vögel hatten Plastik in ihrem Magen oder Darmtrakt. Nur bei einem sehr kleinen Teil dieser Vögel (13) konnte der unstrittige Nachweis erbracht werden, dass sie direkt an diesem Müll gestorben waren: Die Ursachen reichten von Verstopfung der Atemwege bis zu zerrissenen Därmen oder Darmverschlüssen. Bei rund einem Viertel der Vögel (446 Exemplare) war die Todesursache nicht klar benennbar, aber möglicherweise im Zusammenhang mit Plastikmüll-Aufnahme zu sehen.
Denn zumindest eine Korrelation war eindeutig nachzuweisen: Die offensichtlich durch Plastik getöteten Tiere hatten mehr Plastik aufgenommen als die mit unklarer Todesursache. Die wiederum hatten deutlich mehr Plastik gefressen als die Vögel, die nachweislich an anderen Ursachen starben.
Statistisch, argumentieren die Forscher, gäbe es somit eine klare, in Zahlen darstellbare Korrelation zwischen der Aufnahme von Plastik und dem Sterberisiko eines Seevogels.
Dabei gelte:
- Je mehr Plastik ein Vogel fresse, desto wahrscheinlicher stirbt er daran
- Je schwerer die gefressenen Stücke, desto höher das Risiko
- Je weicher die gefressenen Stücke, desto höher das Sterberisiko
Die tödlichste Form des Plastikmülls sei dabei auch die weichste Form des Kunststoffes: Luftballons oder Fetzen davon seien das Material, das mit dem höchsten Sterberisiko für Vögel verbunden sei. Generell, zählten die Biologen, sei schon die Aufnahme eines einzigen Plastikmüllstücks mit einem rund 20-prozentigen Sterberisiko im Laufe eines Vogellebens verbunden. Neun gefressene Stücke korrelierten mit einer 50-prozentigen Sterbewahrscheinlichkeit, 93 - die höchste gefundene Zahl- bedeuteten auf jeden Fall den Tod.

Möwe versucht, sich aus Tüte zu befreien: Nichts ist so gefährlich wie weiches Plastik Foto: AFP
Gerate ein Vogel aber an einen einzigen Luftballon-Fetzen, so liege sein Sterberisiko rund 32-mal höher als bei Formen von härterem Plastik.
So hätten Formen weichen Plastiks nur 5,4 Prozent aller Materialien ausgemacht, die die Gruppe aus den Vögeln bergen konnte. Sie wurden aber in 45,5 Prozent aller Fälle als Todesursache ausgemacht. Salopp auf den Punkt gebracht heißt das: Nichts ist so tödlich wie ein Luftballon. 18,5 Prozent aller Vögel, die auch nur einen Fetzen Ballon aufgenommen hatten, starben daran. Andere Formen von Plastik, die die Forscher als ganz besonders gefährlich ausmachten, waren Plastiktüten, Kondome und Schaum-Kunststoffe.
Weiche Kunststoffe, glaubt die Forschergruppe, seien durch ihre Flexibilität eben ganz besonders geeignet, Körperpassagen zu verstopfen. Ihre weiche, flexible Gestalt führe aber dazu, dass die Vögel sie im Wasser schwimmend mit Beutetieren wie beispielsweise Quallen verwechselten.
Die Studie warnt davor, dass mit steigenden Fallzahlen die Gefährdung der Seevogelbestände weiter wachsen könnte. Bis 2050, glauben sie, werde die Zahl der Seevögel, die im Laufe ihres Lebens versehentlich Plastikmüll fressen werden, auf 99 Prozent ansteigen.
Quelle: http://www.spiegel.de/wissenschaft/natu ... 56041.html