
Schauspieler Joaquin Phoenix bei seiner Rede für den Oscar als Bester Hauptdarsteller.
Joaquin Phoenix: „Es geht immer um den Kampf gegen Ungerechtigkeit”
Zeit im Bild·Montag, 10. Februar 2020
Für seine Rolle als „Joker” hat der Schauspieler Joaquin Phoenix den Oscar als bester Hauptdarsteller gewonnen. In seiner Dankesrede fordert er die Menschheit auf, sich gegenseitig beim Wachsen und Lernen zu helfen – und anderen zu vergeben. Hier der Text der vielbeachteten Rede auf Deutsch:
Wir müssen unsere Stimmen für alle erheben, die selbst keine haben.
Ich habe viel über die Herausforderungen nachgedacht, vor denen wir alle gemeinsam stehen. Ich glaube, manchmal fühlen wir uns, als würden wir unterschiedliche Dinge fordern. Aber ich sehe Gemeinsamkeiten. Ob wir über Ungleichheit zwischen den Geschlechtern reden, über Rassismus, über Rechte für homosexuelle Menschen, über Rechte für indigene Völker, über Tierrechte - wir reden immer über den Kampf gegen Ungerechtigkeit. Wir reden über den Kampf gegen die Idee, dass ein Land, ein Volk, eine Rasse, ein Geschlecht oder eine Spezies das Recht hat, andere zu beherrschen, zu kontrollieren und ohne Rücksicht auszubeuten.
Ich glaube, dass wir uns sehr von der Natur abgekoppelt haben. Und viele von uns haben ein sehr egozentrisches Weltbild. Wir glauben, wir sind der Mittelpunkt des Universums. Wir gehen in die Natur und beuten ihre Ressourcen aus. Wir glauben, es steht uns zu, eine Kuh künstlich zu befruchten. Und wenn sie dann ein Kalb auf die Welt bringt, stehlen wir ihr Baby, obwohl die Schreie der Tiere völlig unmissverständlich sind. Dann nehmen wir ihr die Milch weg, die eigentlich für das Kalb wäre, und schütten sie in unseren Kaffee und in unser Müsli.
Ich glaube, wir haben Angst vor der Idee, dass wir uns ändern müssen, weil wir denken, dass wir dadurch etwas aufgeben müssen. Aber wir Menschen sind so erfinderisch und kreativ. Ich glaube, wenn wir Liebe und Mitgefühl als unseren Kompass verwenden, dann können wir Veränderung schaffen – Veränderung, die allen Lebewesen und unserer Umwelt hilft.
Ich selbst war auch schon ein Schuft in meinem Leben. Ich war egoistisch. Ich war manchmal gemein. Es war schwer, mit mir zu arbeiten. Ich war undankbar. Aber so viele von euch haben mir eine zweite Chance gegeben. Und ich glaube, das sind die Momente, in denen wir Menschen am besten sind: Wenn wir uns gegenseitig unterstützen. Nicht wenn wir uns gegenseitig angreifen und uns Fehler in der Vergangenheit vorwerfen. Sondern wenn wir einander helfen, zu wachsen und zu lernen. Wenn wir einander in Richtung der Vergebung begleiten. Das ist echte Gemeinschaft.
Als mein Bruder 17 Jahre alt war, hat er einen Text für ein Lied geschrieben. Eine Zeile ist mir in Erinnerung geblieben. Sie lautete: „Eilt einander liebevoll zur Hilfe. Der Friede wird euch folgen.“
Vielen Dank.